Donnerstag, 8. November 2012
Buddhismus in Afghanistan
(Fast) jeder hat von den Buddhas von Bamyan gehört, die von den Taliban gesprengt wurden. Nicht minder überraschend ist der "Takht-e Rostam", eine Anlage aus der Zeit, als Afghanistans vorrangige Religion der Buddhismus war.



Die Anlage zu beschreiben ist nicht einfach: sie besteht einerseits aus einem unterirdischen System von in Stein gehauenen Hallen, Gängen und Sakralräumen. Dazu gehört noch - und das ist wirklich spektakulär - ein in Stein gehauener Bau in Form einer umgedrehten Kaffeetasse mit einem Durchmesser von knapp 20 und einer Höhe von 15 Metern. Wozu diese Anlage gedient hat, ist nicht vollständig geklärt. Sie ist in gutem Zustand. Bei Wikipedia beschreibt man sie so:

"The earlier Buddhist constructions have proved more durable than the Islamic period buildings. The Top-Rustam is 50 yd (46 m) in diameter at the base and 30 yd (27 m) at the top, circular and about 50 ft (15 m) high. Four circular vaults are sunk in the interior and four passages have been pierced below from the outside, which probably lead to them. The base of the building is constructed of sun-dried bricks about 2 ft (600 mm) square and 4 or 5 in (100 to 130 mm) thick. The Takht-e Rustam is wedge-shaped in plan with uneven sides. It is apparently built of pisé mud (i.e. mud mixed with straw and puddled). It is possible that in these ruins we may recognize the Nava Vihara described by the Chinese traveller Xuanzang. There are the remains of many other topes (or stupas) in the neighborhood.
The mounds of ruins on the road to Mazar-e Sharif probably represent the site of a city yet older than those on which stands the modern Balkh."

In anderen Ländern, z.B. in Ägypten oder Italien, wäre solch eine Anlage ein Touristenmagnet, wohin Busse Massen von Besucherinnen und Besuchern hinkarren würden. In Afghanistan ist es schon besonders, dass die Anlage von einem Wächter mit viel zu kurzen Hosen bewacht wird, der im Auftrag der Provinz Samangan ein Eintrittsgeld kassiert. Er hält einen Stapel von zerknitterten Kopien in seinen Händen, die wohl seine Kompetenz und Autorität illustrieren sollen. Er führt uns durch die große Anlage und erklärt eigentlich nur das, was wir ohnehin sehen können. Dennoch wird er von allen Teilnehmern unserer kleinen Gruppe mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt. Die Verabschiedung ist fast herzlich.

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Hochzeit auf Afghanisch
Heißt "Arusi" und wird in großen, eleganten Hochzeitshallen gefeiert. Die Glasfassaden dieser "Wedding Halls", wie in großen Leuchtbuchstaben bekannt gegeben wird, prägen mittlerweile die Architektur afghanischer Städte. Das Geschäft mit der Hochzeit scheint sich zu lohnen. Wahrscheinlich sind Hochzeiten neben dem geselligen Aspekt auch Anlässe, zu zeigen, was eine Familie kann und hat.



Die Heiratshalle, in der die Hochzeit stattfand, die ich besuchte, trug den vielversprechenden Namen "Kabul Dubai Wedding Hall" und war selbst für hiesige Verhältnisse enorm: mehrere hundert Quadratmeter groß nahm sie problemlos hunderte von Gästen auf. Eine Combo spielte lautstark und ohne Pause. Männer feiern von den Frauen strikt getrennt, weswegen auf der Tanzfläche, die ich zu sehen bekomme, denn auch auschließlich Männer tanzten. Der Leadsänger der Band ist eine afghanische Berühmtheit, seit er bei "Afghan Star", der lokalen Variante von DSDS mitsang und weit vorn landete. Eine Unterhaltung war nicht möglich, dafür war die Musik einfach zu laut. Irgendwann trat eine eigens für die Feier gemietete Gruppe aus afghanischen Jünglingen mit langem Haar und einheitlich gekleidet in dunkle "Shalwarkamis" auf und tanzte (!) die afghanische Nationalhymne. Wildes headbanging mit wilden Drehungen, und das knapp 15 Minuten. Es scheint, auch beim Tanzen der Nationalhymne haben Afghanen einen Hang zum Extremen.

Zwischendrin kommt der Bräutigam im dunkelblauen Anzug. Anzug ist überhaupt hier de facto Pflicht. Der Bräutigam kommt zu jedem der gut und gern 200 Tische, die mit etwa zehn bis zwölf Menschen besetzt sind, und begrüßt alle persönlich. Seine Familie muss sehr begütert sein, denn eine Hochzeit dieses Ausmaßes kostet für afghanische Verhältnisse ein Vermögen.

Später wurde Essen aufgetragen von jungen Kellnern, deren schlanke Oberkörper in hautenge, hellblaue Hemden gehüllt sind. Sie transportieren rennend mächtige Tabletts mit Essen, Trinken, Vorsuppe und zahlreichen, schmackhaften Hauptgerichten auf dem ausgestreckten Arm durch die Menge. Erschöpfung scheinen sie nicht zu kennen. Fremde Menschen sitzen miteinander am Tisch und tun sich gegenseitig auf. Es herrscht äußerste Zuvorkommenheit, obwohl sich die meisten der Gäste nicht kennen. Mir wird plötzlich von einem engen Verwandten des Bräutigams ein Freund vorgestellt, der in Moskau studiert. Man versichert mir, dass es eine große Ehre sei, dass ich auf dieser Hochzeit wäre. Was für eine Höflichkeit! Ich bin fast sprachlos.

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Samstag, 28. Juli 2012
Entwickelt die darbende bengalische Textilindustrie!


Bisher habe ich immer geglaubt, es hier mit einem der ärmsten Länder der Erde zu tun zu haben, wo die Leichname von Menschen auf der Straße nicht weggeräumt werden (hat mir jemand erzählt, der in den 90er Jahren hier war), Kinder nach er Geburt verkrüppelt werden und alljährlich große Zyklone die Ernte wegfegen. Diese Armut, das kann ich versichern, gibt es wirklich. Doch trotz (oder vielleicht auch: wegen?) dieser Armut existiert andererseits ganz offenkundiger Reichtum. Ein Reichtum, der - anders als in den Golfstaaten, wo er nur auf Ölreichtum basiert - hier auch darauf beruht, dass Bangladesh zur globalen Web- und Schuhmacherstube geworden ist. Die Institutionen, die diesen Reichtum wiederspiegeln, heißen Bangladesh Garment Makers Association oder Bangladesh Knitting Maker Association. Selbst die Altstadt ist voll von Webwerkstätten, überall wird Stoff verkauft, der hier hergestellt wird. Eine Association (die der Garment Maker) hat sogar eine eigene Universität gegründet, wo man sich zum Textilingenieur ausbilden lassen kann (http://www.bift.info/www/index.php). Die Website sieht nicht unprofessionell aus.

Bei diesen reichen Institutionen, die eigene Gebäude besitzen, die zu beziehen sich selbst die Deutsche Bank kaum zu schade wäre, klopfen nun die Geber aller Couleur an und wollen ihr Geld loswerden. Man will ja etwas gegen die grassierende Armut tun! Die Garment Makers Association kann sich kaum retten vor Anfragen. Das Geld braucht sie nicht, aber wenn es nun mal da ist, warum dann ablehnen? Was liegt dann also näher, als Ausbildungsmodelle zu schneidern, die den Unternehmen die Ausbildung kostenlos bereitstellt? Damit wird es nämlich auch unwichtiger, vielleicht die Arbeitsbedingungen in den Fabriken zu verbessern, da - dank großzügiger Gebergelder für das arme Bangladesh - stets auf fremde Kosten neue Arbeitskräfte herangebildet werden. Ist das die grinsende Fresse des globalisierten Kapitalismus, gänzlich ungeschminkt? Öffentlich beklagen sich die Textilunternehmer dann immer, dass die Personalfluktuation so hoch sei (Wahrscheinlicher ist, dass die Näherinnen und Näher dem immensen Arbeitsdruck nicht länger als ein paar Wochen standhalten und dann entweder eine Auszeit brauchen bzw. versuchen ins Ausland zu gehen, wo sie zwar genauso viel arbeiten, aber mehr verdienen.). Das dient dazu, die Geber-finanzierte Ausbildungsmaschine weiter gut geölt zu halten.

Die Azubis auf dem Foto sitzen allerdings nicht in einer der bengalischen Maquiladoras, sondern im staatlichen Ausbildungszentrum Bangladesh-Corean TTC. Entsprechend mau ist die Ausstattung: die Maschinen sind alt, anstatt mit Stoff wird mit Papier genäht und einige der Auszubildenden kämpfen mit dem Schlaf.

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Mittwoch, 27. Juni 2012
Im Bazar von Tscharikar


Der Bazar (persisch für: Markt jedweder Art) von Tscharikar sagt viel über die jüngere Geschichte Afghanistans aus. Spätestens seit 200 Jahren ist Tscharikar eine wichtige und wachsende Stadt. Auf dem Bazar sind zahlreiche Gewerke vertreten: Schmiede, die per Handarbeit alles herstellen, was aus Eisen und Kupfer ist, also: Schaufeln, Hacken, Haken, Öfen, Stühle, Messer, Karaffen und so weiter. In einer anderen Straße sind fertigen Schreiner Möbel, Hacken- und Schaufelstiele. Wieder woanders stellen Eimermacher Eimer aus allen möglichen Kautschukdingen her. Und so weiter. Die Stadt macht einen lebendigen Eindruck. Dennoch sagen viele der Handwerker, die zu der anlässlich unseres Besuches einberufenen Handwerkerversammlung kommen, dass sich besonders im Moment viel verändert. Die Mieten für Läden explodieren, die Art und Weise der Zahlung der Miete - traditionell ein Mal pro Jahr erhoben - verändert sich, der Import von Industrieprodukten aus dem Ausland gefährdet die traditionelle Fertigung. Letzteres stellt die gesamte sozioökomische Struktur des Landes infrage.



Dabei wären manche Produkte sogar bei uns ein Renner. Zum Beispiel: Wassereimer aus alten Autoreifen! Sie sind stabil, flexibel und tragen zur Weiterverwendung von Rohstoffen bei.

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