Freitag, 18. Mai 2012
Skatistan lebt!


Wenn Freitags der - deutlich geringere - Straßenverkehr das Leben der Fußgänger und Radfahrer auf den Kabuler Straßen angenehmer macht, gibt es auch Platz für Überraschungen. Zum Beispiel: Inlineskater! Diese jungen Männer eifern dem okzidentalen Lebensstil nach - keine Frage! Sie haben dabei schon viel Übung, denn sie fuhren so schnell, dass es für unseren Fahrer nicht einfach war, an ihnen vorbeizukommen.
Neben dem - noch immer sicherlich überschaubaren - Interesse am Inlineskaten gibt es auch ein vielbeworbenes Projekt, in dem Jugendliche lernen auf dem Skateboard zu fahren (http://skateistan.org/). Wenn man sich vor Augen führt, wie wenig Freizeitangebote es in Afghanistan - in Kabul sieht es da noch sehr gut aus - für Jugendliche gibt, ist Skaten nicht das schlechteste. Wie man sieht, scheint es den Jugendlichen Freude zu machen. Fehlt nur noch, dass man bald Mädchen auf Rollschuhen sieht.

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Montag, 2. April 2012
Ahmad Zahir, Afghanistans Elvis Presley


"Afghanischer Elvis" wird er nur gegenüber Ausländern genannt, hat man mir gesagt. Aber egal, denn: die Musik Ahmad Zahirs muss den Vergleich mit dem 'King' aus Memphis nicht scheuen. Sie ist großartig, auch heute noch. Ich hörte Ahmad Zahirs Stimme zuerst, als ich bei Dunkelheit mit dem Auto durch Kabul gefahren wurde. Der Name 'Ahmad Zahir' sagte mir nichts, ich vergaß ihn schnell wieder. Seine Stimme erweckt bei vielen Afghaninnen und Afghanen Erinnerung an längst vergangene Zeiten, an die Zeit vor dem russischen Einmarsch. Ahmad Zahirs Musik prägte die 70er Jahre. Er war ein fleißiger Musiker: in 10 Jahren produzierte er 22 Alben. Da er aus einer äußerst respektierten Familie stammte - sein Vater war Premierminister unter dem letzten afghanischen König Zahir Schah - vermochte er dem Beruf des Musikers in Afghanistan ein seriöses Image zu verschaffen. Seine Kompositionen, die klassische persische Poesie mit moderner und regional-traditioneller Musik kombinierten, machten ihn zu einem nationalen Star.

Sein Ende kam jäh, viel zu früh und sollte als düsteres Auspizium für die Zukunft dienen: nach dem kommunistischen coup d'état 1978 befand sich Ahmad Zahir schnell in der Reihe der Regierungskritiker. An seinem 34. Geburtstag im Juni 1979 starb Ahmad Zahir offiziell in einem Autounfall. Gerüchte, dass dieser Unfall fingiert war, machten sofort die Runde. Verschiedene Zeugen behaupten, er sei zuvor erschossen und erst dann in ein Auto gesetzt worden. Tausende Trauernde begleiteten den toten Sänger zu Grabe. Wenn es bis heute etwas gibt, was Afghaninnen und Afghanen aller Generationen und Ethnien vereint, dann ist warme Stimme Ahmad Zahirs. Und obwohl das Regime 1979 versuchte, durch gezielte Vernichtung von Tonaufnahmen auch die Erinnerung an Ahmad Zahir auszulöschen, wird er weiter gehört und ist unvergessen.

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Freitag, 30. März 2012
Mit dem Marschall beim Buzkashi


Confieso que lo he visto: Buzkashi, das Reiterspiel, bei dem zahlreiche Reiter - eigentlich zweier Mannschaften, aber das Spiel funktioniert eindeutig auch nach dem "Every man for himself"-Prinzip - versuchen, sich einen sichtbar schweren Ziegenkadaver abzujagen, um ihn dann in einem etwa 4 m im Durchmesser großen weißgekalkten Kreis abzulegen. Das Spiel wiederholt sich zahlreiche Male, wobei vor jedem Durchgang der Preis genannt wird, den der glückliche Sieger sofort nach der Ablage der Ziege vom Stadionsprecher in bar erhält. Die Preise variieren enorm und ich konnte nicht herausbekommen, ob diese unterschiedliche Preishöhe pro Runde einfach so festgelegt wird oder ob es dafür eine Regel gibt. Fest steht: je höher die Prämie, desto heftiger der Kampf um die Ziegenleiche.

Vor der Pause oszillierten die Siegprämien zwischen ein- und fünfhundert Dollar mit erratisch steigender Tendenz. Nach zwei Stunden Ziegenjagd, während der auch der Kadaver zwei Mal erneuert werden musste, war Pause. Anschliessend stiegen die Prämien rapide: plötzlich ging es um "motosikl" im Wert von zwotausend US-Dollar, brüllte der Ansager ins Megaphon. Die Hektik unter den Reitern war immens, das Publikum goutierte die Hitze der - man muss es fast so nennen - Schlacht mit beinahe frenetischem Beifall.

Für das Spiel gibt es trotz allen Regeln: Reiter dürfen mit ihrem Hengst (ich sah nur Hengste) machen, was sie wollen: anschreien, die Sporen geben, schlagen, peitschen etc. Das Schlagen von Mitspielern ist aber verboten. Stürze passieren regelmäßig, allerdings standen die gefallenen 'buzkash-ha' an diesem Tag sofort wieder auf, um sich unverzüglich wieder der Ziegenjagd hinzugeben. Verspottungen der Gestürzten durch die Zuschauer sind tabu. Verletzungen sah ich keine, allerdings sind die Reiter - die ihr Pferd so hervorragend beherrschen wie früher wohl nur Indianer oder Dschingis Khan - recht gut gepolstert.



Die ganze Angelegenheit fand am Stadtrand von Kabul statt, in Anwesenheit des Vizepräsidenten Fahim, weswegen das Buzkashi-Stadion "Bagh-e Fahim - Fahim-Park" genannt wird. Seine Exzellenz nimmt sich fürs Buzkahsi Zeit, viel Zeit: die gesamten dreieinhalb Stunden, die wir dort auf dem ummauerten Buzkashi-Areal weilten, war er auch da. Regierungsgeschäfte hin oder her - Buzkashi ist offensichtlich wichtiger. Aber halt: wenn Frankreich/Deutschland/Holland/Italien etc. bei einer Fußball-WM ins Achtel-, Viertel- oder Halbfinale kommen, sind der Premierminister, Kanzlerinnen und Thronfolger auch zugegen. Was nur belegt, wie wichtig Buzkashi in Afghanistan ist. Schwer bewaffnete Privatkrieger des Vizepräsidenten, der sich gewichtig "Marschall" nennt, schützten nicht nur das Areal, sondern beschlagnahmten alles, was verdächtig war. Dazu gehörte auch meine Kamera, die ich beim Verlassen des Parks aber unverzüglich zurückerhielt. Fotografieren ging also nur mit Telefon, daher sind die Fotos eher mittelmäßig. Von Buzkashi muss ich wohl eher erzählen.

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