Donnerstag, 19. Mai 2011
Am Schrein des Ali


Die Neigung der Afghanen, Mythen neu zu erzählen, soll angeblich die Schilderungen älterer Mujaheddin durchziehen, wenn sie über ihre tapferen Kämpfe gegen die sowjetischen Invasoren berichten. Aber auch vor religiösen Mythen macht die Neu-Erzählung nicht Halt: Ali, vierter rechtsgeleiteter Kalif nach Mohamed, wurde im 7. Jahrhundert von Häschern seines Widersachers Muawija zwar in irakischen Najaf umgebracht, aber anders als die Shi'iten im Irak und Iran behaupten, liegt sein Leichnam nicht an seiner Todesstelle, sondern hier, in Mazaar-i-Sharif. Wie auch immer, die Moschee jedenfalls, die über dem Grabmal erbaut wurde, beeindruckt durch ihre Schönheit. Um die Moschee herum ist ein Vergnügungspark, Menschen sitzen im Gras und picknicken, Kinder fahren in gefährlich aussehenden Karussellen und junge Männer vertreiben sich die Zeit mit Taubenfüttern.

Ganz rechts im Bild mein Kollege Hossein Ali Mahrammi, in der Mitte der Präsident des Zentralverbands des Afghanischen Handwerks, Hassan Sepahi. Kurz nach Sonnenuntergang führten mich beide sicher und sehr zuvorkommend durch diese herrliche Anlage.

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Maulbeeren unterm Maulbeerbaum
Maulbeeren heißen auf Persisch 'tut', und wenn sie reif sind, ist das wohl mit der Weinreife in der Pfalz zu vergleichen. Wir kamen vorgestern in Mazaar-i-Sharif an, und schon abends wurde zwischen den Afghanen aus Kabul mit denen aus Mazaar über die Tut-Ernte gesprochen. Der Vorsitzende der Handwerkervereinigung in Mazaar, Herr Assadullah, versprach uns, in seinem Tut-Hain die besten Maulbeeren der Gegend zu essen. Nachdem ich die Maulbeeren gegessen habe, glaube ich: damit hat er Recht. Ein langer Tag mit Terminen mit Handwerkergildenvorstehern ging zu Ende - nun sollte die Belohnung folgen.



Beim Maulbeeressen wurde die klare hierarchische, fast feudale Gliederung der afghanischen Rural-Gesellschaft deutlich. Wir standen unterm Maulbeerbaum, da wurde schon von verschiedenen Hausangestellten ein Teppich und Kissen herbeigebracht, auf dem wir uns niederließen. Anschließend bereiteten die Angestellten ein Joghurtgetränk mit Gurken und machten sich ans Maulbeerpflücken und -waschen. Uns als Gästen aus der Hauptstadt wurden die Beeren zuerst gereicht. Maulbeeren sind eine Hauptmahlzeit! Große Teller voller Maulbeeren standen auf dem Teppich, dazu Wassereis, um die Beeren zu kühlen. Erst nachdem der Ra'is, also der Handwerkergilden-Vorsitzende mit seinen Gästen (=uns) satt war, durften die Leibeigenen sich über die, noch immer üppigen, Beerenreste hermachen.



Anschließend erwies sich deutlich, dass der Ra'is ein reicher Landbesitzer ist. Er bestand nach dem Maulbeerenschmaus darauf, uns noch sein "projét" ganz in der Nähe zu zeigen: auf ca. sechs Quadratkilometer Land - seinem Land - sollen viertausend Villen entstehen. Ingenieure waren vor Ort, und auch Geld von Investoren wird schon fleißig eingesammelt. Pro Villa fallen 2.000 US-Dollar an. Angesichts des allgemein schleppenden Arbeitsfortschritts auf afghanischen Baustellen erscheint so ein Bauvolumen schier unmöglich. In Afghanistan hat es so etwas auch noch nicht gegeben. Wurden wir also Zeuge eines Immobilienschneeballs? Das wäre sehr gut möglich und leider nicht neu in Afghanistan.

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Donnerstag, 9. Dezember 2010
Postkarte aus Kabul


Wer möchte eine Ansichtskarte aus Afghanistan? Zwar gibt es auf der Straße in der Kabuler Neustadt "Shahr-e Naw" ein paar Ansichtskarten auf Straßenständen, doch wo ist, bitte, das nächste Postamt? Die ISAF macht es vor und druckt eigene Postkarten.

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Mittwoch, 8. Dezember 2010
Birawaar dar Kabul
Zwischen morgens um Acht und abends um Acht das gleiche Bild: Auto reiht sich an Auto, und dabei wird - anders als es das Bild suggerieren mag - kein Zentimeter verschenkt. Langsam schiebt sich die Blechlawine vorwärts, wobei 'Blechmure' den Zustand besser beschreiben würde. Es geht ja nicht schnell, sondern langsam.



Das bedeutet, dass lange Wartezeiten auf ein Auto und im Auto zum Alltag gehören. Wir haben die Uhr, aber hier braucht man vor allem - Zeit. Nicht ganz verständlich trotzdem, denn die Deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterhält - genau wie UN, IRK und alle anderen Organisationen auch - einen umfangreichen Fuhrpark aus gepanzerten und ungepanzerten Geländefahrzeugen. Pünktlichkeit wird zum va banque-Spiel. Am besten, man kann sich jederzeit beschäftigen. Sehr freundlich, dass meine Kollegen beim Handwerkerverband mir schon mehrmals ein Auto samt Fahrer zur Verfügung gestellt haben. Da fällt immerhin das Warten weg, was durchaus anderthalb Stunden Zeitgewinn bringen kann. Die Fahrten selbst dauern dann auch lange - gut wäre es, wenn man mit den selbst Englisch-radebrechenden Fahrern sich auf Farsi zu unterhalten könnte, am ein wenig Alltägliches zu erfahren. Soweit bin ich leider noch lange nicht.

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