Freitag, 30. März 2012
Mit dem Marschall beim Buzkashi


Confieso que lo he visto: Buzkashi, das Reiterspiel, bei dem zahlreiche Reiter - eigentlich zweier Mannschaften, aber das Spiel funktioniert eindeutig auch nach dem "Every man for himself"-Prinzip - versuchen, sich einen sichtbar schweren Ziegenkadaver abzujagen, um ihn dann in einem etwa 4 m im Durchmesser großen weißgekalkten Kreis abzulegen. Das Spiel wiederholt sich zahlreiche Male, wobei vor jedem Durchgang der Preis genannt wird, den der glückliche Sieger sofort nach der Ablage der Ziege vom Stadionsprecher in bar erhält. Die Preise variieren enorm und ich konnte nicht herausbekommen, ob diese unterschiedliche Preishöhe pro Runde einfach so festgelegt wird oder ob es dafür eine Regel gibt. Fest steht: je höher die Prämie, desto heftiger der Kampf um die Ziegenleiche.

Vor der Pause oszillierten die Siegprämien zwischen ein- und fünfhundert Dollar mit erratisch steigender Tendenz. Nach zwei Stunden Ziegenjagd, während der auch der Kadaver zwei Mal erneuert werden musste, war Pause. Anschliessend stiegen die Prämien rapide: plötzlich ging es um "motosikl" im Wert von zwotausend US-Dollar, brüllte der Ansager ins Megaphon. Die Hektik unter den Reitern war immens, das Publikum goutierte die Hitze der - man muss es fast so nennen - Schlacht mit beinahe frenetischem Beifall.

Für das Spiel gibt es trotz allen Regeln: Reiter dürfen mit ihrem Hengst (ich sah nur Hengste) machen, was sie wollen: anschreien, die Sporen geben, schlagen, peitschen etc. Das Schlagen von Mitspielern ist aber verboten. Stürze passieren regelmäßig, allerdings standen die gefallenen 'buzkash-ha' an diesem Tag sofort wieder auf, um sich unverzüglich wieder der Ziegenjagd hinzugeben. Verspottungen der Gestürzten durch die Zuschauer sind tabu. Verletzungen sah ich keine, allerdings sind die Reiter - die ihr Pferd so hervorragend beherrschen wie früher wohl nur Indianer oder Dschingis Khan - recht gut gepolstert.



Die ganze Angelegenheit fand am Stadtrand von Kabul statt, in Anwesenheit des Vizepräsidenten Fahim, weswegen das Buzkashi-Stadion "Bagh-e Fahim - Fahim-Park" genannt wird. Seine Exzellenz nimmt sich fürs Buzkahsi Zeit, viel Zeit: die gesamten dreieinhalb Stunden, die wir dort auf dem ummauerten Buzkashi-Areal weilten, war er auch da. Regierungsgeschäfte hin oder her - Buzkashi ist offensichtlich wichtiger. Aber halt: wenn Frankreich/Deutschland/Holland/Italien etc. bei einer Fußball-WM ins Achtel-, Viertel- oder Halbfinale kommen, sind der Premierminister, Kanzlerinnen und Thronfolger auch zugegen. Was nur belegt, wie wichtig Buzkashi in Afghanistan ist. Schwer bewaffnete Privatkrieger des Vizepräsidenten, der sich gewichtig "Marschall" nennt, schützten nicht nur das Areal, sondern beschlagnahmten alles, was verdächtig war. Dazu gehörte auch meine Kamera, die ich beim Verlassen des Parks aber unverzüglich zurückerhielt. Fotografieren ging also nur mit Telefon, daher sind die Fotos eher mittelmäßig. Von Buzkashi muss ich wohl eher erzählen.

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