Donnerstag, 7. Oktober 2010
Ankommen in Afghanistan
"Welcome to Afghanistan!" - so begrüßte uns der Kapitän der ziemlich vollbesetzten Safi Air-Maschine am 5 Uhr Ortszeit. Draußen leuchtete das Land im schönsten Morgenrot, und auf der linken Flugzeugseite sollte gleich Kabul auftauchen. Kaum jemand der Passagiere schaute aus dem Fenster. Überhaupt, die Passagiere: zahlreiche deutsche Polizisten in Uniform, einige afghanische Familien, viele Europäer, die irgendwas in Afghanistan zu tun haben. Alle wirken sehr, sehr abgeklärt, als wäre es das normalste von der Welt, nach Kabul zu fliegen. Als das Flugzeug schließlich gelandet ist, ist die Morgenröte verschwunden. Das Sonnenlicht ist klar, weiß, und stechend. Relativ geräuschlos verläuft die Passkontrolle, ebenso unspektakulär die Gepäckausgabe. Das soll Afghanistan sein? Nein, ist es nicht, denn wir sind auf dem "Kabul International Airport", also einer Art Käseglocke, unter der sich die deutschen Polizisten bereits vollkommen selbverständlich ihre Waffen umhängen, Splitterschutzwesten anziehen und der ganzen zivilen Atmoshäre ihren Stempel aufdrücken. Deutsche Polizei bewacht das Flughafengebäude, um die Ankunft ihrer deutschen Kollegen abzusichern. Ich durchquere mit meinem Gepäck die neugebaute Flughafenhalle. Sie ist fast leer, bis auf eine dünne Schlange von Menschen, die wohl mit dem gleichen Flugzeug von hier wegfliegen. Ein riesiger Platz vor dem Flughafengebäude: leer. Mir ist mulmig beim Darübergehen, aber das muß ich, denn auf der anderen Seite sind die uns zugeteilten Parkplätze. Relativ leicht finde ich das GTZ-Auto. Als die Fahrt dann in die Stadt losgeht, sind die anderen Passagiere im Auto - alle Deutsche, für GTZ tätig - sehr schweigsam. Zu beeindruckend ist die waffenstarrende Realität während den ersten hundert Meter nach dem Flughafen. Nachdem das Flughafen-Gelände mit allen Kontrollen hinter uns liegt, sind die Straßen voller Menschen, die sich auf Fährrädern, zu Fuß, in Bussen, Taxis oder auf Motorrädern fortbewegen. Frauen tragen nur ganz selten Burka (wenn etwas über Afghanistan im Fernsehen kommt, dürfen die Burka-Frauen nie fehlen), sondern sind verhüllen sich ihr Haar mit einem hellen Tuch im Benazir Bhutto-Stil. Erst später in der Stadt sehe ich die erste Burka. Hier in Kabul ist sie die Ausnahme. Die Stadt wirkt sehr lebendig und, was mich beruhigt, sehr zivil. Ein äußerst schlanker Jüngling trägt einen körperbetonten Anzug mit Silbereffekt. Dieser Anblick beruhigt mich: wenn jemand so etwas tragen darf, kann es nicht so schlimm sein mit der Religionsaufsicht! Ungeregelter aber nicht hektischer Verkehr, viele Garküchen, unzählige kleine Läden und Straßenhändler, improvisierte Baustellen prägen dieses lebhafte Bild. Es wird viel gelacht, das kann man sehen. Allerdings ruft hier niemand "Welcome!", so wie man das vom Jemen kennt. Vielleicht liegt das an uns, den Ausländern, die wir unsere Furcht durch abgeklärtes, abweisendes Verhalten ausdrücken?



Ringsum Kabul: steinige, abweisende Bergketten, Staub in der Luft, kaum Vegetation. Das zeigt der Blick vom Hotelflur.

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