Freitag, 20. Mai 2011
Über dem Salang-Pass
Flugzeugfliegen in Afghanistan - ein überraschendes Abenteuer! Das Flugzeug russischer Herkunft, mit russischem Bordpersonal, russischem Kapitän und dem wenig Vertrauen erweckenden Namen "EastAir", offeriert wenig Aufregendes, von der unglaublichen Enge und zerbrochenen Sitzen einmal abgesehen. Nein, was wirklich aufregend ist, passiert vor dem Flug am Boden. Unser Flugzeug sollte um 6:00 Uhr abfliegen, also waren wir kurz vor 5 Uhr morgens am Flughafen. Die Sonne ging gerade auf, der Flughafen war noch geschlossen. Nach einer Weile Warten vor einer Schranke, rechts und links von den üblichen MG-Nestern samt grimmig dreinblickenden Schützen sekundiert, kam ein ebenso unfreundlich blickender Polizist mit einem Schäferhund. Schnüffelprobe! Das war der Auftakt. Die Schranke ging auf. Nach Passieren der Schranke dann:
- Aussteigen und Leibesvisitation,
- 20 Meter Weiterfahren, dann wieder Warten auf einem Parkplatz,
- Aussteigen und Leibesvisitation Zwei,
- Warten mit allen Fluggästen im einem miserablen Feldzelt mit wenigen Sitzgelegenheiten, wobei ich froh bin, dass wir früh fliegen und nicht Mittags, wenn es hier brütend heiß ist,
- Leibesvisitation Drei und Kofferdurchsuchung per Hand,
- Weiterfahren in den Flughafen selbst - wieder durch mehrere Stacheldrahtverhaue, Polizisten, deren Qualifikation im böse dreinschauen zu bestehen scheint,
- wieder Aussteigen und Warten in einer Schlange - jetzt schon in gleißendem Sonnenlicht um kurz vor 6 Uhr,
- sehr genaue Kofferdurchsuchung,
- Leibesvisitation die x-te,
- zwischendurch kommt irgendein Minister, was bedeutet: die ganze Prozedur gerät ins Stocken, Minister kommt mit großem weißen Geländewagen, begleitet von privaten Sicherheitsleuten, üblich schwer bewaffnet,
- dann endlich: "Einchecken" (sofern man diesen Vorgang so bezeichnen kann),
- nochmalige Durchsuchung,
- Flugsicherheitskontrolle die den Namen nicht verdient,
- Boardingpass vorzeigen,
- Warten im Hangar etc.

Das alles passiert in einem Flughafen, der schon seit Jahren mit internationalen Hilfsgeldern renoviert wird. Bis auf verschiedene Betontorsi ist nichts Zählbares erreicht worden. Bauarbeiten sind nicht zu erkennen. Das Geld ist wahrscheinlich längst in weit geöffnete Taschen geflossen und zum großen Teil ausgegeben, auch wenn in das Projekt involvierte Entwicklungshilfemanager unisono das Gegenteil behaupten.



Diese Zustände verlangen den afghanischen Polizisten - die täglich eine sehr gefährliche Arbeit machen - große Improvisation ab. Kaum zu glauben, dass trotz all dieser Mißstände die russische Maschine nur mit einer guten Stunde Verspätung abhebt. Der Blick aus dem Fenster auf den Hindukush ist großartig.

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